Wir schreiben das Jahr 2022 und diese Kamera ist 17 Jahre alt. Ja – 2005 gab es schon Digitalkameras. 😉 Zu diesem Zeitpunkt rannte ich mit einer kompakten Canon IXUS II Digital mit 3.2 Megapixel (MP) herum. Die typische Spiegelreflex-Kamera hatte damals 6 MP.
Vor zwei oder drei Jahren machte mich das YouTube-Video „Sony DSC-R1: Unsung Cameras Of Yesteryear“ von TheCameraStoreTV neugierig. Von Sony kannte ich mit der Bezeichnung „1“ nur die RX1; eine kompakte Vollformatkamera mit festem Objektiv.
Fest ist auch das Objektiv an der R1. Ebenso aus dem Hause Carl Zeiss, ist es im Gegensatz zur Festbrennweite der RX1 eine Zoom-Linse. Damit fällt die R1 in die Klasse der Bridge-Kameras. Davon gibt es und gab es auch damals bereits Modelle auf dem Markt. Was macht die R1 also so besonders?
Hinter dem Objektiv, welches eine Brennweite von 24-120mm (KB) abdeckt, werkelt ein großer APS-C-Sensor (21,5 x 14,4mm) mit einer Auflösung von 10 MP. Wohlgemerkt; in Spiegelreflex-Kameras steckte 2005 meist noch ein Sensor mit 6 MP. Objektiv und Sensor der R1 sind zu diesem Zeitpunkt einzeln betrachtet bereits absolute Highlights. Zusammen ergeben sie jedoch eine Kombination, die in dieser Form bis heute einzigartig bleibt. Eine Bridge mit APS-C-Sensor und 5fach-Zoom wurde danach nie wieder gebaut. Stattdessen wurden meist winzige Sensoren mit 1/2,3 Zoll (6,2 x 4,6mm) verbaut. Einzig die Canon G1X III aus 2018 besitzt einen APS-C-Sensor; jedoch nur ein fest verbautes 3fach-Zoom. Wer heute in einer Bridge-Kamera einen „großen“ Sensor verlangt, bekommt einen 1 Zoll-Sensor (SONY RX10 oder Panasonic LUMIX FZ1000). Hier ist die Fläche mit 13,2x 8,8mm nur noch ein Drittel eines APS-C-Sensors. Freistellen (Bokeh) ist zwar auch mit einer 1 Zoll-Kamera möglich; aber merklich schwieriger als mit dem Dino R1.
Doch ist dieser Dino aus aktueller Sicht tot? Nein, denn Totgesagte leben bekanntlich länger. Ich habe mir ein Modell ersteigert und bin einige Tage damit herumgelaufen.
Die Kamera wiegt fast 1 Kilo. Große Sensorbildkreise verlangen nach größeren Linsen. Dies schlägt sich auf das Gewicht nieder. Trotzdem liegt die R1, auch dank des großen Griffs, gut in der Hand. Von vorn sieht man der Kamera ihr Alter kaum an. Auf der Rückseite zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede.
Auf der Rückseite gibt es kein Display. Dafür sind einige Schalter und Räder auf die Rückseite gewandert. Der winzige Bildschirm befindet sich über dem elektronischen Sucher. Dieser kann zum Schutz umgeklappt und in verschiedene Richtungen gedreht werden. Ich habe den Sucher benutzt. Nur für ein paar bodennahe Aufnahmen kam der Bildschirm zum Einsatz, den ich dann um 180 Grad drehte und zurückklappte. Das bündige „Top-Display“ ermöglicht dann einen Blick von oben auf die Kamera. Dies hat mich an eine analoge Schachtsucher-Kamera erinnert.
Doch bevor ich mich in technischen Details verliere, hier erst einmal ein paar Bilder:
Hast Du gerade beim Betrachten der Bilder an 2005 gedacht?
Die SONY DSC-R1 ist auch in 2022 eine schöne Kamera und macht tolle Fotos. Trotzdem gib es einige Punkte, die aus heutiger Sicht den Einsatz einschränken:
Sucher und Display der Kamera lassen Dich immer wieder an das Alter der Kamera erinnern. Die 134.000 Pixel des Displays und 235.000 Pixel des Suchers lassen kaum Details erkennen und dienen eher der Wahl des Ausschnitts. So konnte ich bei einigen Fotos erst am Bildschirm daheim erkennen, wenn der Autofokus daneben lag. Mit abnehmendem Licht kriegt dieser zunehmend Probleme. Tagsüber arbeitet er aber zuverlässig. Zur Not macht man ein Foto mehr. Die RAW-Dateien der R1 sind mit 20 Megabyte für ein 10 MP-Bild erstaunlich groß. Zwei Bilder kann man mit der Kamera hintereinander machen. Danach ist die Kamera erst einmal für knapp 5 Sekunden mit dem Schreiben beschäftigt. Scheinbar kann nur ein Bild gepuffert werden. Zum Speichern stehen in der Kamera übrigens Slots für MemorySticks oder CompactFlash-Karten zur Auswahl. Letzteren habe ich mit einem SD-Adapter verwendet. In den Adapter in Form einer CF-Karte steckt man eine herkömmliche SD-Karte. Die entnehmbare SD-Karte kann man wie gewohnt verwenden und auslesen. Eine in einigen Beiträgen beschriebene 2GB- oder 4GB-Grenze konnte ich dabei nicht feststellen. Meine 16GB große SD-Karte, eine SanDisk Extreme Pro, konnte ich problemlos in voller Kapazität einsetzen.
Sucher und Display mögen schlecht auflösen. Die Kamera mag langsam sein. Aber dies sieht man den Aufnahmen nicht an. Die Bilder sind scharf und kontrastreich. Das Objektiv leistet sehr gute Arbeit, ist aber nicht stabilisiert. Tagsüber sind Bilder kaum von heutigen Aufnahmen zu unterscheiden. Leider ändert sich dies mit abnehmendem Licht schlagartig. Mit ISO 160 liefert der Sensor rauschfreie Bilder. Ab ISO 400 ist ein Bildrauschen bereits deutlich zu sehen. S/W-Aufnahmen sind auch bei ISO 400 noch gut einsetzbar. Darüber hinaus fällt die Bildqualität deutlich ab. ISO 800 mag für den Notfall noch zum Einsatz kommen. Bilder mit ISO 1600 oder 3200 habe ich nicht mehr sinnvoll einsetzen können. Diese Werte sind tagsüber aber nicht relevant. Abends und in Innenräumen kann der eingebaute Blitz „retten“. Mich erinnert dies sehr an meine Erfahrungen mit dem lichthungrigen Foveon-Sensor der SIGMA DP1S. Diese Kamera war meine „Schönwetter-Kamera“.
Macht eine SONY-DSC-R1 in 2022 noch Sinn? Sinn vielleicht nicht – aber Spaß und tagsüber noch erstaunlich gute Fotos!