Schon vor ein paar Jahren entdeckte ich meine Vorliebe für Festbrennweiten. Höhere Lichtstärke und eine deutlich bessere Freistellung (Bokeh) verbinden sich mit einer gesteigerten Abbildungsleistung. Statt variablen Brennweitenbereich eines Zoom legt man sich bei einer Festbrennweite auf eine feste Brennweite fest (dann wäre der Name ja geklärt 🙂 ).
Irgendwann stellt man sich die Frage, welche Festbrennweiten man nun wirklicht benötigt bzw. welche davon die persönliche Lieblingsbrennweite sei.
Mit einer Fujifilm X100 und der späteren Leica X2 und X (113) war ich mir sicher, mit ungerechtet 35mm „meine“ Brennweite gefunden zu haben. Die klassische Reportagebrennweite ist ein durchaus guter Kompromiss und passt für sehr viele Situationen. Mit den 35mm als Hauptobjektiv habe ich mich auch in den Urlaub getraut und dies nicht bereut.
Einige Zeit später habe ich die 28mm für mich „entdeckt“. Die kompakte Nikon Coolpix A, eine hervorragende Hosentaschenkamera mit dem Sensor der ausgewachsenen Nikon D7000, entwickelte sich schnell zu meiner neuen Lieblingskamera. Die etwas weiteren 28mm sind vielen unter uns als Standardbrennweite heutiger Handykameras bekannt. Meines Erachtens hat auch die Fotoflut von Smartphones diese Brennweite populär gemacht und unseren heutigen Bildeindruck geprägt.
28mm kommen bei mir heute neben dem iPhone auch mit einer Sigma DP1S sehr oft zum Einsatz. Man könnte meinen, dass dies nun meine aktuelle Lieblingsbrennweite sei.
Für Portraitaufnahmen hatte ich mir eine Vollformatkamera mit einer „echten“ 50mm-Linse angeschafft. Schnell wurde sie zu meiner Standardkamera für Familienfeiern und Situationen, wo es dank Lichtstärke von f1.4 auch einmal dunkler sein durfte. Immer wenn ich länger am Stück mit dieser „Normalbrennweite“ unterwegs bin, stelle ich fest, wie gut 50mm für so viele Dinge passen. Nur mit 50mm würde ich dann gefühlt auch eine Weltreise dokumentieren können.
Sind 50mm vielleicht meine heimliche Lieblingsbrennweite?
28mm, 35mm oder 50mm? Oder nicht doch lieber ein Zoomobjektiv mit etwas mehr Weitwinkel und Reserve im Telebereich? Kann ich mich nun nicht richtig entscheiden? Bin ich unentschlossen oder gar wankelmütig?
Diese Fragen haben sich mit Sicherheit schon viele von Euch auf der Suche nach „Eurer“ Brennweite gestellt.
Ich kann nur für mich sprechen, doch wahrscheinlich wird es vielen von Euch so gehen. Mit genügend Erfahrung und Einfühlungsvermögen stelle ich mich heute auf die Situation und die vorhandene Brennweite ein. Lange Zeit habe ich mich über die Fotos geärgert, die ich mit einer gerade fehlenden Brennweite nicht machen konnte. Heute freue ich mich über die Fotos, die ich mit der vorhandenen Brennweite besonders gut machen kann. Dies ist ein Lernprozess. Und er tritt auch nicht dauerhaft bei jedem von uns ein. Auch ich erwische mich gelegentlich, dass ich neben einer Festbrennweite noch mit einer kleinen Kompaktkamera mit Zoomobjektiv als Reserve mein Gewissen beruhige. Und wenn es wie letztens in Prag sogar primär ein Zoomobjektiv als „Allzweckwaffe“ sein soll, dann ist dies doch auch in Ordnung. Ich komme auch mit einer variablen Brennweite klar, obwohl mir das Fotografieren mit einer Festbrennweite einfach mehr Spass macht. 🙂
Nicht jeder Fotograf, der noch nicht „seine“ Brennweite gefunden hat, muss sich aber noch auf der Suche befinden. Er kann sein Ziel bereits erreicht haben, ohne es bemerkt zu haben. Es ist auch etwas Positives, wenn man mit unterschiedlichen Brennweiten und mehreren Festbrennweiten im Gepäck klarkommt und sich nicht festlegen will. Dass man dann auch wieder zu variablen Zoomobjektiven greifen könnte, die heute an Lichtstärke und Abbildungsleistung deutlich an die Festbrennweiten herangerückt sind, ist eine andere unendliche Geschichte … 🙂
**Fazit:** Grübele nicht so viel über Deine Ausrüstung nach, sondern gehe los und fotografiere! Und statt einer einzigen Lieblingsbrennweite ist es bei Dir vielleicht ein einziges Lieblingshobby mit unterschiedlichen Brennweiten.