Es soll unscharf sein!

Scharfe Bilder machen kann ja mittlerweile Jeder! Es bedarf heute keiner hochpreisigen Profi-Technik, um Fotos zu machen, die auch auf den zweiten Blick knackig und detailreich sind.

Nach ein paar Erkältungstagen war ich froh, am Wochenende wieder etwas frische Luft schappen zu können. Mit befreundeten Fotografen aus Berlin sollte es in das Harzer Bodetal gehen. Dort wollten wir Naturaufnahmen machen. Die obligatorisch unscharfen und verwaschenen Bilder des Wasserlaufes sollten hier natürlich nicht fehlen. Obwohl ich diese Bilder sehr gern ansehen, habe ich stärkere Wasserströmungen auf diese Weise noch nie abgelichtet. Zwar ist die Elbe öfter mal im Bild, aber die Wasserbewegung ist doch eher „gemütlich“ und weniger „spektakulär“.

Etwas Hintergrundwissen zur Erstellung solcher Bilder für Neueinsteiger:

Die Aufnahmen entstehen mit einer längeren Belichtungszeit. Während die sich nicht bewegenden Felsen scharf abgebildet werden, verändert sich das Wasser durch das dynamische Fließen und der sich verändernden Lichtreflexionen im Laufe der Belichtung. Jeder von Euch hat sicherlich schon einmal ein Foto gemacht, auf dem eine sich bewegende Person vor einem scharfen Hintergrund unscharf ist. Wir wollen jetzt bewusst dieses verschwommene Wasser!

Damit dieser Effekt auch deutlich auftritt, sind Belichtungszeiten von mehreren Sekunden notwendig. Dafür ist ein Stativ unverzichtbar. Längere Belichtungszeiten sind an besseren Kameras und verschiendenen Smartphone-Apps einstellbar. Die lange Belichtungszeit sorgt aber auch für zu viel Licht auf dem Sensor. Das Bild wird überbelichtet und ist zu hell oder im schlimmsten Fall komplett weiß. Durch das Schließen der Blende kann man die Lichtmenge reduzieren. Dies reicht tagsüber aber noch immer nicht für eine Belichtungszeit von mehreren Sekunden. Für diesen Zweck kommen ND-Filter, auch Graufilter genannt, zum Einsatz. Es handelt sich um eine „Sonnenbrille“ für die Kamera. Eine getönte Scheibe als aufgeschraubter Filter vor dem Objektiv läßt nur noch einen Bruchteil des Lichtes durch. Und auf diese Weise sind je nach Stärke des ND-Filters auch sehr lange Belichtungszeiten möglich.

Wenn man von aufwendigen Filterkontruktionen einmal absieht, werden zu bezahlbaren Preisen meist runde Objektivfilter angeboten. Für unterschiedliche Objektivgrößen und Durchmesser sind jeweilige Filter verfügbar. Ohne Filteradapter hat man dann schnell mal eine ansehnliche Menge an UV-Filtern, Pol-Filtern und ND-Filtern für unterschiedliche Objektive in der Fototasche.

Bei leicht bedecktem Himmel, also sehr schönen Lichtbedingungen, ging es in’s Bodetal nach Thale.

Ich habe zunächst mit der SIGMA DP1S gearbeitet und diese auch einige Male auf ein Stativ gestellt. Da sich an der Kompaktkamera mit ausfahrendem Objektiv ohne Umwege kein ND-Filter befestigen läßt, zeigt sich hier ohne ND-Filter die Grenze der Belichtungszeit durch Schließen der Blende. Die Belichtungszeiten blieben auch beim Wechsel auf ISO50 und der maximalen Blende 11 jeweils unter einer Sekunde. Für unser Ziel ist dies noch zu kurz.

Auch an diesem Tag lieferte die SIGMA Baujahr 2009 ordentliche Bilder ab. Die Belichtungszeiten blieben für die erwünschten „Flauschbilder“ aber zu kurz. Ich habe deswegen nur noch ein paar „normale“ Aufnahmen mit der Kamera gemacht.

Bis hierhin, vom ersten Beispielbild einmal abgesehen, stammen alle Bilder aus meiner Sigma DP1S:

Doch wer jetzt denkt, dass ich für die kommenden „Flauschbilder“ das große Besteck mit Objektiven und ND-Filtern eingesteckt habe, der irrt. 😉

Zum Einsatz kam … mein iPhone!!!

Erst einmal die Bilder, dann die Erklärung:

Die Bilder sehen doch ganz gut aus. Oder?

Ich hatte einfach keine Lust, das zusätzliche Glas mitzuschleppen und vor Ort dann permanent zu wechseln. Aus diesem Grund habe ich das iPhone auf das Stativ gestellt und mit der APP „Slow Shutter“ aufgenommen. Technisch gesehen kann das iPhone hier nicht mit verstellbaren Blende oder einem vorhandenen ND-Filter dienen. Vielmehr nimmt das iPhone ein Video auf. Die Einzelbilder des Videos werden dann verrechnet und bringen den erwünschten verwaschenen Effekt.

Das iPhone macht also doch unscharfe Aufnahmen. Ich habe es immer gewusst! 😉

Über Mario Heide

Mario Heide ist gelernter Bankkaufmann, Data Scientist und Hobbyfotograf. Neben Datenbanksystemen und Softwareprogrammierung beschäftigt er sich in seiner Freizeit mit dem vielseitigen Thema Fotografie.

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